Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) hat in Zusammenarbeit mit dem Datenteam des SPIEGEL eine Auszählung von 540 Covern von 30 populären deutschen Magazinen aus dem Jahr 2019 vorgenommen.
Als Vorbild für die Auszählung diente die amerikanische Organisation Women Photograph, die regelmäßig Cover- und Aufmacherfotos großer Magazine und Tageszeitungen im amerikanisch-sprachigen Raum untersucht. Die Erhebungen zeigen jedes Jahr, wie unterrepräsentiert Fotojournalistinnen und Fotografinnen in den US Leitmedien sind – egal ob in Auftragsproduktionen oder in den Bildagenturen.
Die Grafik zeigt eine immense Kluft zwischen Covern, die von Fotografinnen/Illustratorinnen (im folgenden Text durch Fotografin und fotografieren gekürzt, einige Cover waren Collagen und nur zum Teil illustriert) und männlichen Kollegen produziert wurden. So gibt es sieben Magazine, die kein einziges Cover in 2019 von einer Frau haben fotografiert lassen (Geo, Lufthansa Magazin, Beef!, Guido, Hirschhausens Stern Gesund Leben, JWD. und Wohllebens Welt). Bei Magazinen wie journalist und Business Punk, Gala, Der Spiegel und Spiegel Wissen gibt es keine eindeutigen Zahlen, da entweder gar nicht erst Credits angegeben wurden, es sich um Frauen-Männer-Teams handelte oder der angegebene Name keinem Geschlecht zugeordnet werden konnte.
Erstaunlich auch die Verteilung bei Titeln von Frauenzeitschriften wie Cosmopolitan, Donna, Barbara und Women’s Health: hier liegt der Anteil der Frauen bei nur 8-20%, sind doch bekanntlich auch überwiegend Darstellungen von Frauen auf den Titeln dieser Magazine.
Das andere Extrembeispiel ist die Auswertung des Eltern-Magazins, dessen Titel zu 83% von Fotografinnen geschossen wurde – und somit dem klassischen Rollenbild der Frau entspricht.
Einschätzungen zur Ursachensuche
Bei der Ursachensuche hat der DJV relevante Persönlichkeiten aus der Branche nach einer Einschätzung befragt, darunter Silke Güldner (Coach & Consultant für Fotografen), Damian Zimmermann (Fotograf und Kurator), sowie Frank Dietz (Fotoredaktion stern)
Außerdem wurden wir, der Female Photoclub, stellvertretend für 600 Berufsfotografinnen in Deutschland nach einer Einschätzung befragt. Der Spiegel entschied sich übrigens, unser Statement aus dem dort erschienenen Artikel zu streichen. Daher möchten wir es hier gerne nochmal teilen.
“Es ist nach wie vor so, dass wir hauptsächlich Männer aus ihrer Perspektive von der Welt erzählen lassen. Das sieht nicht aus wie eine bewusste Entscheidung, ist es aber am Ende doch, wenn ein subjektives „die bessere Geschichte entscheidet“, dafür sorgt, dass der Frauenblick auf die Geschehnisse unserer Zeit der schlechtere sein soll und er es nicht wert ist, gesehen und gehört zu werden.
Auf eine gerechte und diverse Abbildung der Erzählenden zu achten, sollte eine Selbstverständlichkeit sein und nicht als Absurdum abgetan werden, wie es so gerne aus den verantwortlichen Redaktionen kommt, wenn es darum geht, dass hauptsächlich Männer die Seiten der Magazine füllen.
Auch lassen wir nicht gelten, die Frauen seien selbst Schuld, da sie gar nicht erst mit ihren Geschichten nach vorne treten. Wer Fairness und Vielfältigkeit als Maßstab hat, dem sollten, mit ein bisschen Recherche in entsprechenden Netzwerken, allerhand Frauen mit dem nötigen know-how begegnen, die was zu sagen haben.
Wir stolpern in unserem Fotografinnen-Netzwerk immer wieder über destruktiv abgelehnter Geschichten, über fadenscheinige Argumente vergebener Auftragsarbeiten und ganz viel Vetternwirtschaft mit ganz wenig Diversität. Die Auswertung ist für uns keine Überraschung, aber bezeichnend für den bedauerlichen IST Zustand im Jahre 2020. Wie wir den ändern können? Indem wir zuhören. Indem wir internalisierten Sexismus in uns selbst aufdecken. Indem wir bewusst entscheiden, Stimmen sprechen zu lassen, die wir gerne auslassen. Dazu gehören übrigens nicht nur Frauen.”
Nora Tabel
Fotografin und Co-Gründerin des Female Photoclub